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BGH: Erste Klarstellung zu privilegierten baulichen Veränderungen.

Bauliche Veränderungen zur Förderung der Barrierefreiheit können seit der WEG-Reform auch von einzelnen Wohnungseigentümern durchgesetzt werden. Der BGH hat den Vorrang solcher Maßnahmen nun anhand von zwei Fällen bestätigt.

Fall 1: Anbau eines Aufzugs

Die nicht körperlich behinderten Eigentümer einer im dritten und vierten Obergeschoss eines denkmalgeschützten Jugendstilgebäudes gelegenen Wohnung verlangten von den anderen Eigentümern, dem Bau eines Aufzugs auf ihre eigenen Kosten zuzustimmen. Ein entsprechender Beschlussantrag blieb in der Eigentümerversammlung ohne Mehrheit. Mit einer Beschlussersetzungsklage wollen die Eigentümer erreichen, dass die Errichtung des Aufzugs dem Grunde nach beschlossen ist.

Der BGH gibt den bauwilligen Eigentümern recht. Ihnen steht gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG ein Anspruch auf entsprechende Beschlussfassung zu. Die erstrebte Errichtung eines Aufzugs stellt eine angemessene bauliche Veränderung dar, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen dient.

Die Angemessenheit einer Maßnahme ist nur ausnahmsweise zu verneinen, wenn mit dieser Nachteile verbunden sind, die über die Folgen hinausgehen, die typischerweise mit der Durchführung einer privilegierten baulichen Veränderung einhergehen. Eingriffe in die Bausubstanz, übliche Nutzungseinschränkungen des Gemeinschaftseigentums und optische Veränderungen der Anlage etwa aufgrund von Anbauten führen daher in der Regel nicht zur Unangemessenheit einer Maßnahme.

Die Kosten der baulichen Veränderung sind für das Bestehen eines Anspruchs nach § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG grundsätzlich ohne Bedeutung. Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 WEG muss nämlich der Wohnungseigentümer, der die Maßnahme verlangt, auch deren Kosten tragen.

Eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage im Sinne von § 20 Abs. 4 Halbs. 1 Alt. 1 WEG, die dem Anspruch entgegenstehen könnte, ist mit der Errichtung eines Aufzugs nicht verbunden. Nach dem seit der WEG-Reform geltenden Recht ist bei einer Maßnahme, die der Verwirklichung eines Zweckes im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG dient, eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage zumindest typischerweise nicht anzunehmen. Der vom Gesetzgeber im gesamtgesellschaftlichen Interesse erstrebten Privilegierung bestimmter Maßnahmen – unter anderem zur Förderung der Barrierefreiheit – ist bei der Prüfung, ob eine grundlegende Umgestaltung vorliegt, im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses Rechnung zu tragen. Im vorliegenden Fall lagen keine besonderen Umstände vor, die eine Ausnahme von der Regel rechtfertigen könnten.

Fall 2: Bau einer Rampe

Während es in Fall 1 um eine Beschlussersetzung ging, hatte Fall 2 eine Beschlussanfechtung gegen einen Gestattungsbeschluss zum Gegenstand. Die Wohnungseigentümer hatten beschlossen, der Eigentümerin einer Erdgeschoss-Wohnung als privilegierte Maßnahme gemäß § 20 Abs. 2 WEG zu gestatten, auf der Rückseite des Gebäudes eine Rampe als barrierefreien Zugang zu errichten. Gegen diesen Beschluss hatten andere Eigentümer Anfechtungsklage erhoben.

Der BGH hält die Anfechtungsklage für unbegründet. Beschließen die Wohnungseigentümer die Durchführung oder Gestattung einer baulichen Veränderung, die ein Wohnungseigentümer unter Berufung auf § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG verlangt, hängt die Rechtmäßigkeit des Beschlusses nicht davon ab, ob die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 WEG im Einzelnen vorliegen und ob die bauliche Veränderung angemessen ist. Auf diese Voraussetzungen kommt es nur an, wenn der Individualanspruch des Wohnungseigentümers abgelehnt worden ist und sich dieser mit einer Anfechtungsklage gegen den Negativbeschluss wendet und/oder den Anspruch mit der Beschlussersetzungsklage weiterverfolgt, so wie in Fall 1.

Die WEG-Reform hat die Vorschriften über bauliche Veränderungen in §§ 20, 21 WEG neu gefasst und grundlegend geändert. Die Neuregelung dient unter anderem dazu, den baulichen Zustand von Wohnungseigentumsanlagen leichter verbessern und an sich ändernde Gebrauchsbedürfnisse der Wohnungseigentümer anpassen zu können. Nunmehr können die Wohnungseigentümer nach § 20 Abs. 1 WEG im Gegensatz zur vorigen Regelung Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), jeweils mit einfacher Stimmenmehrheit beschließen. Sie müssen dabei nur die Grenzen des § 20 Abs. 4 Halbs. 1 WEG (keine grundlegende Umgestaltung) beachten. Diese sind bei jeder baulichen Veränderung einzuhalten.

Infolgedessen dürfen die Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung auch dann durch Mehrheitsbeschluss gestatten, wenn sie die in § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG geregelten Anspruchsvoraussetzungen im Einzelnen nicht als gegeben ansehen oder jedenfalls Zweifel hieran haben.

(BGH, Urteile v. 9.2.2024, V ZR 244/22 und V ZR 33/23, Quelle: www.haufe.de)

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